Im Gerichtsstreit um Dürrenmatt hat die Witwe das Nachsehen
Grund des Rechtsstreits ist ein Text aus dem Band „Lesen statt klettern. Aufsätze zur literarischen Schweiz“, den der eidgenössische Schriftsteller und Dürrenmatt-Freund Hugo Loetscher 2003 bei Diogenes veröffentlichte. In einem dem Komödiendichter zugeeigneten, achtseitigen Unterkapitel namens „Die Abdankung“, schweizerische Bezeichnung für Trauerfeier, beschreibt er Details des Abschieds von Dürrenmatt in dessen Haus und später im Krematorium. Teils eine Groteske, wie sie bei Dürrenmatt stehen könnte: „Auf dem Nachttisch ein Thriller von King, als habe Dürrenmatt für einen Moment die Lektüre unterbrochen“. Auch daß in dem Text steht, der bekennende Atheist habe mit gefalteten Händen auf dem Totenbett gelegen, ist Gegenstand der Unterlassungsklage gegen Loetscher, der im Falle der Zuwiderhandlung 51 000 Euro zahlen soll.
Tatsächlich aber geht es Charlotte Kerr um die Vermeidung des Eindrucks, sie sei eine „kalte, regimeführende, widerliche Frau“, so ihre Rezeption des Textes. In diesen Geruch sei sie gekommen, weil der Text suggeriere, sie habe sich bei der Trauerfeier in den Vordergrund gespielt. In der Tat erscheint die Witwe bei der Familienaufstellung im Krematorium kaum weniger dirigistisch als vor Gericht, wo sie oft aufbraust und sogar ein theatralisches „Einspruch!“ intoniert. Ihre Kommandostimme dürfte noch aus der Zeit stammen, als sie in der Serie „Raumpatrouille“ die herrische Generalin Lydia van Dyke spielte.