Heeresversuchstelle Kummersdorf – Versuchstelle West
Im Sommer 1930 beauftragte das Heereswaffenamt das Referat Ballistik und Munition, die Brauchbarkeit großkaliberiger Raketen zu untersuchen. Zur gleichen Zeit begannen in Kummersdorf die ersten streng geheimen Versuche mit Raketenbrennöfen. Hier wurden unter der Leitung des späteren Generals Walter Dornberger Konstruktionsbaracken, Messhäuser sowie Versuchsstände errichtet. Anfangs stand die Erprobung der von der Industrie gelieferten Schwarzpulver – Raketentreibsätze auf der Agenda. Doch gleichzeitig wurde auf dem Raketenflugplatz Berlin – Reinickendorf eine Rakete mit Flüssigkeitstriebwerk entwickelt.
Im August 1932 kam die 3600 mm lange und 20 kg schwere Rakete zum Versuch nach Kummersdorf. Die Rakete entwickelte einen solchen Schub, dass sie aufstieg. Doch in einer Höhe von 70m legte sie sich in die Waagerechte und stürzte ab.
Ein bedeutender Tag in der Geschichte der Anlage war der 22. Juni 1932. An diesem Tag sollte auf dem Schießplatz Kummersdorf eine 3 Liter Flüssigkeitsrakete (Mirak III) abgeschossen werden. Wernher von Braun, Rudolf Nebel, Hans Beermüller und Paul Ehmayer starteten von Reinickendorf mit zwei Mirak III in Richtung Kummersdorf. Dem damals 20 jährigen Wernher von Braun imponierten die Anlagen in Kummersdorf so sehr, dass er 30 Jahre später das folgende schrieb: „Was wir auf dem einsamen Platz fanden, erregte unseren Neid und unsere Bewunderung zugleich. Wir fanden einen vollendeten Prüfstand für die Brennkammern von Flüssigkeitsraketen vor, mit Betonmauern umgeben und mit einem Schiebedach versehen. Wir staunten über den Beobachtungsraum und zeigten uns beeindruckt von dem Messraum, in dem sich ein Wirrwarr von allen möglichen Prüfleitungen, Registrierapparaten, Messgeräten u.s.w. befanden. Auf der Schießbahn, wo unsere Rakete erprobt werden sollte, standen neuartige Kino – Theodoliten zur Verfügung, die den gesamten Flug der Rakete auf den Film bannen und zugleich ihren Flugweg vermessen konnten. Wenn wir da an unseren Laden in Reinickendorf dachten, hätten wir eigentlich Minderwertigkeitskomplexe haben müssen.“
Beeindruckt von den Einrichtungen und Möglichkeiten von Kummersdorf, entschloss sich Wernher von Braun, mit dem Heereswaffenamt zusammenzuarbeiten. Am 1. Oktober 1932 wechselte er nach Kummersdorf über und nahm alles bisherige Wissen und die Erfahrungen aus Reinickendorf mit. Etwa zum selben Zeitpunkt begann der Bau des ersten aus Beton hergestellten Prüfstandes. Er befand sich in direkter Nachbarschaft zum Pulverraketenprüfstand. Zum Prüfstand welcher eine Länge von 6 Metern sowie eine Höhe von 4 Metern hatte, gehörten noch zwei Baracken mit Arbeitszimmer, Konstruktionsraum, Dunkelkammer und eine Werkstatt. Am 21. Dezember 1932 wurde der erste Brennversuch gestartet. Er misslang. Hierdurch wurde die Einrichtung des Prüfstandes fast völlig zerstört. Nach der Wiederherstellung des Prüfstandes wurden die Versuche fortgeführt. Aufgrund der hohen Auslastung wurde 1934 ein weiterer Prüfstand gebaut.
1934 begannen auch dann die Arbeiten an der ersten kompletten Rakete mit Flüssigkeitsraketentriebwerk, dem Aggregat 1 (A1). Die 150 kg schwere Rakete sollte von einer Abschussrinne gestartet werden. Zum Start kam es allerdings nie. Ein neues Projekt, die A2 wurde entwickelt. Parallel dazu begannen die Arbeiten an einem neuen Triebwerk mit 1000 kg Schubleistung.
Mit dem Gedanken, Jagdflugzeuge mit einem Flüssigkeitstriebwerk anzutreiben befasste sich Wernher von Braun so eingehend, dass er im März 1936 ein solches Triebwerk in eine „Junkers jun.“ einbaute.